Am schönsten sind die Jahreszeiten, wenn sie gerade anfangen:

  • der erste warme Tag nach einem langen Winter, wo die Luft anders riecht, die Sonne plötzlich wärmt, die Vögel sich gegenseitig zu überbieten versuchen …
  • der erste heiße Tag, an dem die Füße sich der lästigen Schuhe entledigen, die Kleidung minimalistisch wird und kalte Getränke attraktiv werden …
  • der erste Herbstgeruch, Altweibersommer, schräges Licht, mild-schmeichelnde Luft und eine Würze, ah … melancholisch beklagt man: „Jedes Jahr geht es schneller, verdammt!“ und freut sich zugleich auf lange Abende und Zeit für die Fotoalben. Hypnotisiert starrt man jeden Tag aufs Neue die Bäume am Wegrand an, ob sich ihr Laub schon verfärbt, und diskutiert mit Kollegen über die chemischen Prozesse, die zu der Verfärbung führen …

Ihr merkt schon, der Herbst braucht den meisten Platz in dieser Aufzählung. Warum nur ;-)? Erfreulich sind die Übergänge zwischen den Extremen, Herbst und Frühling, auch für die Fotografin: schräges Licht, Seitenlicht, Streiflicht und warme Farben sind auch noch Mittags zu haben, wenn man sich endlich aus den Federn gepellt hat am Wochenende, im Gegensatz zum Sommer, wo das Licht tagsüber langweilig und flau ist, oder zum Winter, wo man sich zu jeder Tageszeit die Finger abfriert …

Allein, je kühler es wird, umso mehr Kleidung muss man auf und um sich und mit sich herumtragen, ein Gewicht, das sich durchaus zur Fotoausrüstung addiert. Praktisch ist allerdings, dass man endlich mal wieder ein Objektiv schnell in die Jackentasche stecken kann, was mit Hemdchen und Shorts nicht so gut geht im Sommer.

Herbst heißt auch: riesige Schwärme von Staren, die sich über den Platanen auf der Stuttgarter Königstraße sammeln, mit ohrenbetäubendem Lärm sich niederlassen und wieder auffliegen, die Passanten mit offenem Mund nach oben starren lassen und sie mit akrobatischem Formationsflug vor stahlblauem Himmel erfreuen. (Eine skurrile Anekdote zu selbstmörderischen Stuttgarter Staren findet sich hier.)

Herbst heißt auch: Kürbissuppe aus dem roten oder grünen Hokkaido, heiße Schokolade nach kalten Spaziergängen, modernde Äpfel in feuchten Wiesen, Pilze unter braunem Laub, Nebel in Niederungen.

Und um die Romantik auf die Spitze zu treiben, ende ich mit ein paar wehmütigen Worten des zeitweiligen Stuttgarters Nikolaus Lenau:

Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir als hör‘ ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen
Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.