Ihr fragt euch sicher ähnlich wie ich immer wieder mal, wie ihr fotografisch weiterkommen könnt. Die Frage ist verständlich; schließlich möchte man nicht auf der Stelle treten, sondern neue Möglichkeiten, Themen, Herangehensweisen an die Fotografie kennen lernen. Einen bedenkenswerten Artikel über die Grenzen des Weiterkommens hat Adrian Ahlhaus vor einiger Zeit geschrieben. Ich selbst habe einige Zeit suchen müssen, bis ich für mich die richtige Mischung gefunden hatte. Die folgende Liste ist konzentriert auf die Bedürfnisse jener, die wissen, was Blende und Belichtungszeit sind, die einen eigenen Stil entwickeln möchten und denen es nicht (mehr/nur) um die pure Beherrschung der Technik geht.

Stacheln

So dornig ist der Weg, auf dem wir weiterkommen wollen …

  1. Regelmäßiger Austausch mit anderen in einem fortlaufenden Kurs: Über meine Foto-Peer-Group „Kunst des Sehens“ (VHS-Kurs in Stuttgart) habe ich schon früher geschrieben. Gemeinsame Fotoexkursionen, Ausstellungsbesuche und vor allem immer wieder schlicht und einfach: Bilder auf den großen Tisch legen und darüber sprechen, optimalerweise unter Anleitung eines guten Fotografen. Alternativ bietet sich auch ein örtlicher Fotoclub an, hier muss man jedoch aufpassen, dass man nicht von Technikfreaks umgeben ist, die sich nur gegenseitig mit ihrer Ausrüstung beeindrucken wollen. Oder eine Entschuldigung fürs abendliche Bier suchen.
  2. Besuch von Ausstellungen von KünstlerInnen und FotografInnen: Eine nicht zu unterschätzende Inspirationsquelle. Glücklich, wer in oder im Umkreis einer kulturell gut versorgten Großstadt wohnt. Hilfreich ist es, eine Ausstellung mit anderen zusammen zu besuchen, um die ausgestellten Werke diskutieren zu können. Auch aus Malerei und Skulptur kann man übrigens viele Lehren ziehen für die eigene Fotografie: Bildaufbau, Umgang mit Licht und Schatten, Gestaltung …
  3. Eigentlich eng verbunden mit Punkt 2: Von guten Fotografen lernen. Ob man deren Bilder nun schätzt oder ablehnt: auch aus Ablehnung kann eine produktive Auseinandersetzung werden. Ein sehr wichtiger Punkt. Solche Werke lassen sich natürlich nicht nur in Ausstellungen, sondern auch in Fotobüchern (Monographien) studieren, die es übrigens auch in vielen Stadtbüchereien gibt – man muss nicht immer gleich 40 Euro ausgeben. Auch hier bringt es am meisten, die Fotos mit anderen zu diskutieren.
  4. Urlaub für die Weiterbildung opfern: Mehrtägige Fotokurse und Sommerschulen. Intensive Erlebnisse mit der Fotografie, und meist einen großen Qualitäts- und Motivationsschub, bringen gut ausgesuchte Kurse vorzugsweise an schönen Orten im In- oder Ausland. Sehr wichtig sind hier nicht nur die Bedingungen vor Ort (möglichst geringe Teilnehmerzahl, gute Organisation, erfahrene Kursleiter …). Auch den oder die Kursleiter, dessen/deren Lebenslauf und Portfolio sollte man sich gut anschauen. Interessiert mich, was er macht? Wird er oder sie mir etwas beibringen können? Ist der Kurs von Kameraherstellern gesponsert und womöglich nur eine gut getarnte Werbeveranstaltung? Einen guten Überblick über Fotokurse und Sommerakademien bietet Fototrainer.de, wo man nach Kursen in der eigenen Stadt suchen kann und aktuell eine Übersicht über fotografische Sommerakademien geboten wird.
  5. Auseinandersetzung mit der eigenen Einstellung zum Leben (ja!) und zur Fotografie: Was will ich erreichen? Welche Themen sind mir wichtig? Welche Ziele will ich mir in der Fotografie setzen? Dazu gehört auch, sich ein Thema zu suchen und es konsequent zu verfolgen und umzusetzen. Wie schwer das ist, weiß jeder, der es einmal versucht hat. Dazu gehört auch, ein Portfolio zu entwickeln oder ein „Body of Work“, wie es John Paul Caponigro in einem lesenswerten Aufsatz genannt hat (Download hier als pdf auf Englisch). Man kann sich dazu auch professionelle Hilfe suchen, sofern es der Geldbeutel erlaubt.
  6. Das gute alte fotografische Lehrbuch: Der Markt für Fotografie-Bücher ist inzwischen riesengroß und es ist relativ schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Besonders Bücher, bei denen die Kunst des Sehens und die Bildgestaltung im Vordergrund stehen, sind schwer zu finden. Eine aktuelle Neuerscheinung sollte man sich vielleicht ansehen: George Barrs „Besser Fotografieren“. Der US-Bestseller ist nun auch auf Deutsch erhältlich. Inhaltsverzeichnis, Einleitung und ein Auszug aus dem ersten Kapitel, die ihr auf der Webseite des Verlags ansehen könnt, lesen sich recht vielversprechend. (EDIT: Gelesen und empfohlen von Lars, siehe Kommentar.)
  7. Fotozeitschriften: Bitte kein werbestrotzendes Foto-Equipment-Testheft, was man wohl über mindestens 80 % aller Fotozeitschriften sagen kann. Ich hatte mich seinerzeit schon mal über dieses Thema ausgelassen. Meine Favoriten zur Zeit: Photonews (interessante Fotografen und Artikel, Neuigkeiten aus der Szene, viel guter Inhalt für wenig Geld) und Schwarzweiß (interessant auch für Farbfotografen: gute Fotoauswahl, Schwerpunkt auf Bildkritik und Gestaltung, hochwertig gemacht). EDIT: Ralf Spieß empfiehlt außerdem Photo  International und Leica Fotografie International (auch für Nicht-Leicaner).
  8. Fotografie studieren: Wer entschlossen ist, sein Hobby zum Beruf zu machen und sich eine Fotografie-Lehre nicht vorstellen kann, wer jung genug ist oder sich fühlt, kann natürlich auch an ein Studium denken. Eine Übersicht über die Fotografie-Studiengänge in Deutschland mit weiteren Informationen gibt es auf der Seite Foto-Studium.
  9. Informationen aus dem Internet zusammensuchen: Diese eigentlich vielversprechende Möglichkeit ist gar nicht so einfach zu verwirklichen. In Foto-Foren und Communities wird eine echte Bildkritik kaum je geleistet. Im Internet am häufigsten zu finden sind technische Hilfestellungen bei der Umsetzung bestimmter Aufgaben, die technischen Grundlagen der Fotografie oder das Erörtern der Vor- und Nachteile bestimmter Ausrüstungsgegenstände. Gelegentlich trifft man dann auch auf wertvolle Tipps zur Gestaltung, leider meist im englischsprachigen Bereich.
  10. Fotografieren, fotografieren, fotografieren! Dieser Punkt steht nur deshalb am Ende, weil er sich eigentlich von selbst versteht und selbstverständliche, unabdingbare Voraussetzung für das eigene Weiterkommen ist.

Wenn ich diese 10 Punkte so lese, wird mir klar, dass für mich persönlich Punkt 1, 2/3, 5 und 10 am wichtigsten sind. Mit sich immer wieder verschiebenden Schwerpunkten.

Habt ihr noch mehr Ideen zur fotografischen Weiterbildung? Bitte weist in einem Kommentar darauf hin, ich werde sie dann in den Artikel einbauen.

Tipps von Schauplatz-Besuchern:

  • Sich selbst limitieren, also z.B. nur mit einem 50-mm-Objektiv losziehen. Das schult das Auge auf eine bestimmte Brennweite und macht Spaß! (Ralf-Jürgen Stilz)
  • Kaufe Bilder. Wer Kunden ansprechen will, der sollte selbst auch Kunde sein. (Uwe Mayer)