Ach ja, damals, mit neun, als ich zum Friseur musste, dem einzigen im Dorf, dem an der Hauptstraße. Von der Mutter an der Tür abgegeben. Schüchtern reingegangen: „Hallo, da bist du ja. Setz‘ dich man eben noch hin, bin gleich soweit.“ Lesezirkelmappe geholt, auf den grünen Wartestuhl geklettert, klein gemacht, geblättert, kein Wort entziffert. Um mich herum Männer und Jungs. Nicht auffallen, dann kann man nicht reinfallen. Stumm. (Wie immer, damals.)
Der Friseur holt ein festes Sitzkissen mit zwei Griffen rechts und links und legt es auf den grünen Friseurstuhl. Das Kissen macht das Kind auf dem Stuhl so groß, dass sich der Friseur nicht bücken muss beim Schneiden. Über ein kleines Bänkchen steige ich nach oben. Der Friseur kurbelt den Stuhl hoch. Er legt mir den geblümten Umhang um, befestigt die Papierkrause, befingert meinen Hals. Er spricht mich an, ich schweige und schaue zu Boden. Nur nicht in den Spiegel gucken, meine verschüchterten Augen sehen und die Augen des Friseurs.
Der gibt seine Gesprächsversuche bald auf. Er schneidet und schweigt. Ich ertrage das Jucken, schließe die Augen und schweige. Im Hinterkopf die Frage: Und was sagen sie morgen in der Schule?
Das Trauma, mit dreizehn: „Schön, dass du die Haare jetzt kürzer hast. Vorher sahst du immer so schleimig aus.“