Ein alter Mann steigt ein, klein und dünn, um die 85 Jahre alt, mit Krücke. Seiner abgetragenen Kleidung sieht man die gute Herkunft an. Seine Bewegungen sind langsam, und er riecht durchdringend. Er lässt sich auf einen Sitz fallen und starrt vor sich hin. Aus der Hosentasche kramt er einen Stoß zusammengelegtes Toilettenpapier und faltet es umständlich auseinander.
Er schneuzt sich ausgiebig, streckt die Hand nach dem Müllbehälter am Fenster aus, wo ich sitze, und legt das vollgeschneuzte Papier hinein. Der Deckel bleibt offen. Ich zögere, dann klappe ich ihn zu. Derweil kramt der alte Herr weiter in seiner Hosentasche und betrachtet die benutzten Papiertücher, die auch von ferne fleckig und feucht aussehen. Er steckt sie wieder ein. Kurz darauf beginnt er leise und wie gewohnheitsmäßig zu rülpsen.
Kurz vor dem Hauptbahnhof steht er mühsam auf und zieht sich zur Wagentür. Als die Bahn in der Tunnelröhre langsamer wird, höre ich ihn wieder. Rülpst er, diesmal lauter? Nein, er „nölt“. – Nasal: „Ääh. Äääh!“, dann lauter: „Äääääääh! Halt doch mal an!!“ Der Zug tut ihm den Gefallen, und der Alte steigt aus.
Der Alltag ist doch voller Geschichten. Und wenn man dies im Film sehen würde, würde man denken: alles erfunden. Aber so dreht man tagtäglich seinen eigenen ‚kleinen‘ Film.
Bin gespannt auf das weitere Kino …
Jürgen