Eintrittskarte zum Film Pingpong

Eigentlich versammelt der Regisseur hier ziemlich viele Klischees, ging mir durch den Kopf, als ich nach dem Film nach Hause radelte. Und doch schafft er es, mit, trotz und neben diesen Klischees eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen. Mit seinem ruhigen und dabei nie langweiligen Tempo, den fast klassischen Einschränkungen von Ort (Haus und Garten der Familie, ein Waldweg, ein See), Zeit (eine Woche im Sommer) und Personenzahl (vier Personen und ein Hund) und den spannungsgeladen Beziehungen fesselt er sein Publikum.

Stefan und Paul begegnen sich nicht

Paul und sein Vater begegnen sich nicht.
(Alle Medien sind Pressematerial des Arsenal-Verleihs. Fotograf: Steffen Junghans)

Die Geschichte: Paul hat vor kurzem seinen Vater verloren. Er besucht seinen Onkel Stefan, der mit seiner Frau Anna und Sohn Robert in dem Haus wohnt, in dem Paul aufgewachsen ist. Die Familie nimmt Paul zunächst nur widerwillig auf, zumal er Anstalten macht, sich häuslich einzurichten.

Bald wird klar, dass Anna einer aus ungeklärten Gründen misslungenen Pianistinnenkarriere nachtrauert und darum den begabten Robert zum Musikstudium treibt. Er soll „den Berg“ nach ihren Vorstellungen „erklimmen“. (Roberts Vorspielstück für die Aufnahmeprüfung ist eine Sonate von Alban Berg, und ironischerweise teilt der hervorragender Darsteller, Clemens Berg, auch im wirklichen Leben Pianist, den Nachnamen mit dem Komponisten). Ihr unbefriedigendes Eheleben (Hausfrauenrolle mit stets abwesendem Gatten) kompensiert sie durch Karriereplanung für Robert und kaum verhüllte Liebesspiele mit dem Riesenschnauzer Schumann (!).

Paul muss sich erst in dieser konfliktgeladenen Familie zurechtfinden und gerät denn auch schnell zwischen die Fronten. Seine wachsende Zuneigung zu Anna lenkt ihn von der Erkenntnis ab, dass diese ihn für ihre Zwecke ausnutzen will, wie dieses Hörbeispiel zeigt:

[audio:pingpong_vergleich.mp3]

Bald nach Pauls Ankunft verschwindet Stefan für eine Woche auf Dienstreise. Die Beziehungen zwischen den drei Daheimgebliebenen werden enger: Paul und Robert freunden sich zögernd an, müssen sich dafür aber dem klammernden Zugriff Annas entziehen. Sie zelten zusammen am See (steht der nitratverseuchte Teich für das unterdrückte Unterbewusste, in dem man nicht baden darf?) und kommen über den Selbstmord von Pauls Vater ins Gespräch: Eine der intensivsten Szenen des Films.

Das Nervige, Gekünstelte, Aufdringliche der Figur, die Marion Mitterhammer spielt, droht sich auf den Eindruck von der Leistung der Schauspielerin zu übertragen. Ich musste ihr aber im Laufe des Films zugestehen, dass sie Annas Gebrochenheit sehr gut verkörpert.

Robert, der sensible Künstler, kommt mit den unterdrückten Emotionen in der Familie nicht klar und ernährt sich von weißem Rum in einer Mineralwasserflasche. Sein Vorspiel an der Musikhochschule endet dann auch in einem Fiasko. Ebenso wie der Beziehung zwischen Anna und Paul, die am Ende über den Hund ausgetragen wird. Hervorragend dargestellt auch Annas Eifersucht auf Pauls und Roberts beginnende Freundschaft, symbolisiert durch das Tischtennisspiel, das Anna am Ende zerstört.

Der Film, der Matthias Luthardt da gelungen ist, überzeugt durch seine sensible Regie und die hervorragenden Schauspieler, allen voran Sebastian Urzendowsky und Clemens Berg, deren intensives Spiel den Film trägt. Die etwas übertrieben symbolisierte Bildsprache hat mich eigentlich erst im Nachhinein gestört (der saure See, die zerstörte Tischtennisplatte, Kirschbaum, der Hund als Ersatz-Liebesobjekt, der Kirschbaum als Andenken, das beschnitten werden muss). Sie wird wett gemacht durch die Zurückhaltung in Tempo, Ausstattung und Sprache. Ein unbedingt sehenswerter Film.

Weitere Informationen, Fotos und Sounddateien sowie den Trailer gibt es beim Verleih:

Infos zu Pingpong beim Arsenal-Verleih

 

Schauplatz-Bewertung:

[rate 3.5]