Lust an der Selbstinszenierung, Maskeraden, Fragen nach geschlechtlicher Identität und Repräsentation des Weiblichen in der Kunst – um diese Themen kreist eine Ausstellung, die zur Zeit in der Pinakothek der Moderne zu sehen ist:
Female Trouble: Die Kamera als Spiegel und Bühne weiblicher Selbstinszenierungen
Früher konnte ich Selbstinszenierungen nichts abgewinnen. Ich dachte höchstens: Ach, was für eitle Menschen müssen die sein, die so etwas machen. Meine Erfahrungen in der Sommerakademie Gestalterische Fotografie haben mich eines Besseren belehrt. Jetzt sage ich: Selbstinszenierung ist toll!
Nachdem ich meine Serie mit dem Titel „Vertrautes Land“ in der Sommerakademie erstellt hatte, dachte ich bei mir: Eigentlich ist diese Selbstinszenierung eine Therapie für die Fotografin – der Betrachter der resultierenden Fotos hat nichts davon. Bei der Präsentation der Serie stellte ich dann aber fest, dass ich Unrecht hatte. Die Besucher konnten sich durchaus damit identifizieren.
Selbstinszenierung – Therapie oder Provokation
Nach dem Besuch der Ausstellung würde ich das ähnlich sehen: Ja, teilweise erschienen mir die Bilder stark therapeutisch (der Ausdruck ist übrigens in keiner Weise abwertend gemeint, ich will das Ganze auch nicht pathologisieren), vielleicht ist „heilend“ der bessere Begriff. Der heilende Effekt mag aus dem Vertreiben beängstigender eigener Dämonen, der Darstellung unbewusster Ängste, wie in Francesca Woodmans Arbeiten „Polka Dots“, „House # 3“ und „House # 4“, Bilder, in denen die Fotografin sich an abblätternden Wänden eines verlassenen Hauses darstellt, verwischt mit dem Gesicht zur Wand oder unter einer Fensterbank an die Wand gepresst, mit wehendem Kleid und verschrecktem Blick oder gar hinter einer losen Kaminverkleidung verschwindend. Sehr starke, emotionale Arbeiten, die aber nicht nur der Fotografin etwas bedeuten. Offenbar finden hier, wie so oft in der Kunst, individueller Ausdruck und gesellschaftliche Bedürfnisse zusammen.
Andere Arten der Selbstinszenierung sind Experimente mit dem eigenen Körper, Provokation oder der Versuch, den eigenen Körper als Ausdrucksmittel und Projektionsfläche zu benutzen, wie in Ana Mendietas Serie „Glass on Body Imprints“:
Ana Mendieta, „Glass on Body Imprints“, 1972
Prokante Selbstinszenierungen sind die „Self Portraits“ von Sarah Lucas, die ich als „very seventies'“ empfand, die aber zwischen 1990 und 1998 entstanden sind. Dass die Künstlerin hier den ambivalenten Blick auf weibliche Figuren aufs Korn nimmt und sich über verbreitete erotische Phantasien vom Weiblichen lustig macht – sie sitzt breitbeinig herausfordernd im Sessel, zwei Spiegeleier auf der T-Shirt-Brust -, mag stimmen, doch ich habe den Verdacht, dass sie sich einfach nur köstlich amüsiert hat.
BesucherInnen bestaunen Sarah Lucas‘ Selbstporträts
In der Ausstellung sind jedoch beileibe nicht nur Selbstinszenierungen vertreten. Monica Bonvicinis Videoinstallation „Destroy She Said“ zum Beispiel ist eine Collage aus Filmausschnitten aus den 1950er bis 1970er Jahren, mit Bildern von Frauen, die sich an Wände lehnen, ängstliche Frauen, traurige, enttäuschte, verlassene Frauen in Filmen von Godard, Antonioni, Rosselini, Polanski und Fassbinder – hintereinander geschaltet, entlarven sie ein Frauenbild, das von Schwäche und Hilflosigkeit geprägt ist, ein Bild von der Frau, die sich immer an eine Wand lehnen muss, hinter der sie zugleich gefangen ist. Eine verwirrende und bedrückende Arbeit, die auf zwei schräg zueinander stehenden, sehr großen Leinwänden präsentiert wird, einfachen Holzkonstruktionen, die noch von Resten des Baumaterials umgeben sind. Dieser Aspekt ist mir allerdings etwas fremd geblieben.
Monica Bonvicini, „Destroy She Said“, 1998
Ein starker Magnet der Ausstellung sind natürlich die Werke von Cindy Sherman, die mit ihren „Untitled Film Stills“ bekannt wurde. Sie ist mit der Serie „Bus Riders“ (1976), mehreren Einzelwerken und einigen „History Portraits“ vertreten. Letztere inszenieren Gemälde der Vergangenheit mit überzeugender technischer Perfektion, um diese klischeebehafteten Frauendarstellungen dann durch einzelne Gesten oder Details zu entlarven, meist künstliche Brüste, die irritierend wirken durch ihre malerische Darstellung, der man zunächst fast auf den Leim geht. Ein Beispiel ist „Untitled #216“, das hier im Hintergrund zu erahnen ist:
Cindy Shermans Foto den hinter Besuchermassen
Cindy Sherman, „Untitled #93“ (1981) und „Untitle #114“ (1982)
Über die erwähnten Fotografinnen (und Fotografen!) hinaus gibt es noch zahlreiche weitere zu entdecken – unter anderem Diane Arbus, Gertrud Arndt, Marta Astfalck-Vietz, Ellen Auerbach, Claude Cahun, Sophie Calle, Valie Export, Nan Goldin, Mathilde ter Heijne, Hannah Höch, Birgit Jürgenssen, Jürgen Klauke, Astrid Klein, Nikki S. Lee, Tracy Moffatt, Pierre Molinier,Pippilotti Rist, Katharine Sieverding.
Adlige und bürgerliche Rollenspiele im 19. Jahrhundert
Besonders spannend auch die Erkenntnis, dass es schon im 19. Jahrhundert Frauen gab, die sich vor der Kamera inszeniert haben. So etwa Virginia Oldoini Verasis Comtesse de Castiglione (1837-1899), die sich von einem Pariser Modefotografen in schönsten Posen ablichten ließ (etwa „Vengeance“, 1863-1867). Zu sehen sind auch wunderschöne Albuminabzüge aus den 1860er und 1870er Jahren von Julia Margaret Cameron, die allein schon das Anschauen lohnen.
Der Kuratorin Inka Grave Ingelmann, auch Herausgeberin des bei Hatje Cantz erschienenen Katalogs, hat eine aufregende Ausstellung zusammengestellt, auf der so manche Entdeckung zu machen ist. Die Schau ist noch bis zum 26.10.2008 in der Pinakothek der Moderne zu sehen.
Besucherin asking for female trouble
Rezensionen der Ausstellung haben außerdem: