Ihr fragt euch sicher ähnlich wie ich immer wieder mal, wie ihr fotografisch weiterkommen könnt. Die Frage ist verständlich; schließlich möchte man nicht auf der Stelle treten, sondern neue Möglichkeiten, Themen, Herangehensweisen an die Fotografie kennen lernen. Einen bedenkenswerten Artikel über die Grenzen des Weiterkommens hat Adrian Ahlhaus vor einiger Zeit geschrieben. Ich selbst habe einige Zeit suchen müssen, bis ich für mich die richtige Mischung gefunden hatte. Die folgende Liste ist konzentriert auf die Bedürfnisse jener, die wissen, was Blende und Belichtungszeit sind, die einen eigenen Stil entwickeln möchten und denen es nicht (mehr/nur) um die pure Beherrschung der Technik geht.
So dornig ist der Weg, auf dem wir weiterkommen wollen …
- Regelmäßiger Austausch mit anderen in einem fortlaufenden Kurs: Über meine Foto-Peer-Group „Kunst des Sehens“ (VHS-Kurs in Stuttgart) habe ich schon früher geschrieben. Gemeinsame Fotoexkursionen, Ausstellungsbesuche und vor allem immer wieder schlicht und einfach: Bilder auf den großen Tisch legen und darüber sprechen, optimalerweise unter Anleitung eines guten Fotografen. Alternativ bietet sich auch ein örtlicher Fotoclub an, hier muss man jedoch aufpassen, dass man nicht von Technikfreaks umgeben ist, die sich nur gegenseitig mit ihrer Ausrüstung beeindrucken wollen. Oder eine Entschuldigung fürs abendliche Bier suchen.
- Besuch von Ausstellungen von KünstlerInnen und FotografInnen: Eine nicht zu unterschätzende Inspirationsquelle. Glücklich, wer in oder im Umkreis einer kulturell gut versorgten Großstadt wohnt. Hilfreich ist es, eine Ausstellung mit anderen zusammen zu besuchen, um die ausgestellten Werke diskutieren zu können. Auch aus Malerei und Skulptur kann man übrigens viele Lehren ziehen für die eigene Fotografie: Bildaufbau, Umgang mit Licht und Schatten, Gestaltung …
- Eigentlich eng verbunden mit Punkt 2: Von guten Fotografen lernen. Ob man deren Bilder nun schätzt oder ablehnt: auch aus Ablehnung kann eine produktive Auseinandersetzung werden. Ein sehr wichtiger Punkt. Solche Werke lassen sich natürlich nicht nur in Ausstellungen, sondern auch in Fotobüchern (Monographien) studieren, die es übrigens auch in vielen Stadtbüchereien gibt – man muss nicht immer gleich 40 Euro ausgeben. Auch hier bringt es am meisten, die Fotos mit anderen zu diskutieren.
- Urlaub für die Weiterbildung opfern: Mehrtägige Fotokurse und Sommerschulen. Intensive Erlebnisse mit der Fotografie, und meist einen großen Qualitäts- und Motivationsschub, bringen gut ausgesuchte Kurse vorzugsweise an schönen Orten im In- oder Ausland. Sehr wichtig sind hier nicht nur die Bedingungen vor Ort (möglichst geringe Teilnehmerzahl, gute Organisation, erfahrene Kursleiter …). Auch den oder die Kursleiter, dessen/deren Lebenslauf und Portfolio sollte man sich gut anschauen. Interessiert mich, was er macht? Wird er oder sie mir etwas beibringen können? Ist der Kurs von Kameraherstellern gesponsert und womöglich nur eine gut getarnte Werbeveranstaltung? Einen guten Überblick über Fotokurse und Sommerakademien bietet Fototrainer.de, wo man nach Kursen in der eigenen Stadt suchen kann und aktuell eine Übersicht über fotografische Sommerakademien geboten wird.
- Auseinandersetzung mit der eigenen Einstellung zum Leben (ja!) und zur Fotografie: Was will ich erreichen? Welche Themen sind mir wichtig? Welche Ziele will ich mir in der Fotografie setzen? Dazu gehört auch, sich ein Thema zu suchen und es konsequent zu verfolgen und umzusetzen. Wie schwer das ist, weiß jeder, der es einmal versucht hat. Dazu gehört auch, ein Portfolio zu entwickeln oder ein „Body of Work“, wie es John Paul Caponigro in einem lesenswerten Aufsatz genannt hat (Download hier als pdf auf Englisch). Man kann sich dazu auch professionelle Hilfe suchen, sofern es der Geldbeutel erlaubt.
- Das gute alte fotografische Lehrbuch: Der Markt für Fotografie-Bücher ist inzwischen riesengroß und es ist relativ schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Besonders Bücher, bei denen die Kunst des Sehens und die Bildgestaltung im Vordergrund stehen, sind schwer zu finden. Eine aktuelle Neuerscheinung sollte man sich vielleicht ansehen: George Barrs „Besser Fotografieren“. Der US-Bestseller ist nun auch auf Deutsch erhältlich. Inhaltsverzeichnis, Einleitung und ein Auszug aus dem ersten Kapitel, die ihr auf der Webseite des Verlags ansehen könnt, lesen sich recht vielversprechend. (EDIT: Gelesen und empfohlen von Lars, siehe Kommentar.)
- Fotozeitschriften: Bitte kein werbestrotzendes Foto-Equipment-Testheft, was man wohl über mindestens 80 % aller Fotozeitschriften sagen kann. Ich hatte mich seinerzeit schon mal über dieses Thema ausgelassen. Meine Favoriten zur Zeit: Photonews (interessante Fotografen und Artikel, Neuigkeiten aus der Szene, viel guter Inhalt für wenig Geld) und Schwarzweiß (interessant auch für Farbfotografen: gute Fotoauswahl, Schwerpunkt auf Bildkritik und Gestaltung, hochwertig gemacht). EDIT: Ralf Spieß empfiehlt außerdem Photo International und Leica Fotografie International (auch für Nicht-Leicaner).
- Fotografie studieren: Wer entschlossen ist, sein Hobby zum Beruf zu machen und sich eine Fotografie-Lehre nicht vorstellen kann, wer jung genug ist oder sich fühlt, kann natürlich auch an ein Studium denken. Eine Übersicht über die Fotografie-Studiengänge in Deutschland mit weiteren Informationen gibt es auf der Seite Foto-Studium.
- Informationen aus dem Internet zusammensuchen: Diese eigentlich vielversprechende Möglichkeit ist gar nicht so einfach zu verwirklichen. In Foto-Foren und Communities wird eine echte Bildkritik kaum je geleistet. Im Internet am häufigsten zu finden sind technische Hilfestellungen bei der Umsetzung bestimmter Aufgaben, die technischen Grundlagen der Fotografie oder das Erörtern der Vor- und Nachteile bestimmter Ausrüstungsgegenstände. Gelegentlich trifft man dann auch auf wertvolle Tipps zur Gestaltung, leider meist im englischsprachigen Bereich.
- Fotografieren, fotografieren, fotografieren! Dieser Punkt steht nur deshalb am Ende, weil er sich eigentlich von selbst versteht und selbstverständliche, unabdingbare Voraussetzung für das eigene Weiterkommen ist.
Wenn ich diese 10 Punkte so lese, wird mir klar, dass für mich persönlich Punkt 1, 2/3, 5 und 10 am wichtigsten sind. Mit sich immer wieder verschiebenden Schwerpunkten.
Habt ihr noch mehr Ideen zur fotografischen Weiterbildung? Bitte weist in einem Kommentar darauf hin, ich werde sie dann in den Artikel einbauen.
Tipps von Schauplatz-Besuchern:
- Sich selbst limitieren, also z.B. nur mit einem 50-mm-Objektiv losziehen. Das schult das Auge auf eine bestimmte Brennweite und macht Spaß! (Ralf-Jürgen Stilz)
- Kaufe Bilder. Wer Kunden ansprechen will, der sollte selbst auch Kunde sein. (Uwe Mayer)
Sich selbst limitieren!
Also z.B. nur mit einem 50mm Objektiv losziehen.
Das schult das Auge auf eine bestimmte Brennweite und macht Spaß!
Ralf
Guter Tipp, Ralf. Man lernt dadurch auch viel besser, welche (Fest-)Brennweite sich für welchen Zweck eignet. Ich habs neulich mit meinem 50 mm Makro versucht (Kleinbild 100 mm), das war auch spannend, und es sind nicht nur Makro-Aufnahmen dabei herausgekommen.
Die Selbstlimitierung könnte man auch noch anders angehen, z.B.: Alles was ich fotografiere muss sich auf diesem Platz befinden – auch wenn er mir anfangs uninteressant erscheint. So etwas würde ich allerdings eher unter „fotografische Fingerübungen“ ablegen als unter „Weiterbildung“, habs aber trotzdem aufgenommen.
Hallo Claudia,
mal wieder ein Artikel von Dir zu meinem Lieblingsthema! 🙂
Das von Dir erwähnte Buch George Barrs “Besser Fotografieren” habe ich mir gekauft und gelesen.
Ich kann es nur empfehlen! Darin ist auch ein Kapitel zur eigenen Standortbestimmung enthalten. Das hilft auch schon mal, um zu sehen, was man bereits erreicht hat – ist meistens gar nicht so wenig.
Ebenfalls hat mir der Abschnitt zum Thema „Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Fotografie“ gefallen.
Ich kann das Buch nur jedem empfehlen!
Viele Grüße
Lars
Für all jene die selbst Fotos verkaufen möchten: kaufe Bilder.
Egal wie groß Dein Budget ist, verglichen mit dem Geld das Du für Fotoausrüstung raushaust ist das wirklich drin.
Wer Kunden ansprechen will, der sollte selbst auch Kunde sein.
Lars: Oh super, das klingt gut. Da werd ich wohl mal zu Lindemanns pilgern.
Uwe: Ein Gedanke, auf den ich noch gar nicht gekommen bin, der mich aber mehr und mehr überzeugt. Leider hab ich kaum genug Platz in der Wohnung für meine eigenen Bilder (zu viele Regale, zu viele Fenster –> zu wenig Wandfläche). Aber auch da gibt es Lösungen, wie ich deiner im übrigen empfehlenswerten Serie „Kaufst du Bilder?“ entnehme.
Huhu Claudia,
bzgl. der Fotozeitschriften möchte ich noch wärmsten ergänzen:
Photo-international, auf einem mit „Schwarz-weiss “ vergleichbaren Niveau aber mit deutlich mehr Farbe.
die Aufmachung ist auch eher ruhig, auf die wirklichen Inhalte ausgerichtet, die Hefte haben teilweise durchgängige Themenschwerpunkte.
und dann kann ich noch – als NICHT-Leica-Fotograf (kann mir halt derweil nur die Zeitschrift leisten) die LFI (Leica Fotografie Inetrnational) empfehlen. wenn man sich die Leica-Werbung wegdenkt, und selbst die ist interessant, dann bleibt noch sehr viel allgemeingültiger Gehalt in anspruchsvoll gediegener Aufmachung übrig.
Gerne hätte ich auch noch die Leica-world empfohlen deren Ableben ich noch immer betrauere (Letzte Ausgabe 01.2007, danach aus Kostengründen eingestellt JAMMER JAMMER JAMMER
Aber es soll noch antiquarische Exemplare geben, und auch bei Lindemanns in Stuttgart harrt noch das eine oder andere seiner Entdeckung…..
Hallo Ralf, ja, die Photo-(Technik)-International habe ich mir vor ein paar Tagen auch mal wieder gekauft. LFI blättere ich gelegentlich im Zeitschriftenladen durch :-). Leica World kenne ich nur vom Hörensagen. Ich ergänze die Zeitschriften noch oben im Artikel. Danke!
Ein schöner Artikel, besonders die Fotozeitschriften die Du genannt hast, sind interessant. Die meisten drehen sich leider „nur“ um Technik.
Gruß Mihau
Hi Mihau, ja, die kann man getrost vergessen und sollte sich damit nicht aufhalten. Mit den oben erwähnten Zeitschriften (jetzt ergänzt) kommt man schon ziemlich weit.
Tolle Liste, tolle Punkte. Für mich treffen einige nicht zu, aber das liegt selbstverständlich daran, dass das immer eine Typenfrage ist. Für meinen Geschmack ist Punkt 9 aber im direkten Zusammenhang zu Punkt 3 zu sehen. Ich persönlich finde im Netz oft mehr Inspiration und mehr großartige Fotos als in Ausstellungen und in Büchern. Das geht sogar so weit, dass ich mir oft in Ausstellungen oder beim Durchblättern gemischter Fotobände in Geschäften oder Cafés Notizen mache, um mir später zu Hause im Internet die Portfolios der einzelnen Künstler genauestens anzuschauen. So neulich in Berlin mit „Boris Hoppek“ passiert. Außerdem würde ich auch die Hilfe beim Weiterkommen im eigenen Stil in Communitys nicht unterschätzen, jedoch muss man dort lernen, damit umzugehen. Dort wird oft nicht viel kritisches angemerkt, da man niemanden angreifen möchte. Ein schlechtes Bild bleibt unkommentiert, niemand schreibt darunter warum er es schlecht findet. Daher muss man meines erachtens dort lernen, zwischen den Zeilen zu lesen und genauer nachzufragen. Allerdings muss man auch lernen, die Dinge dort differenziert zu betrachten; so wird ein zu einer guten Zeit hochgeladenes, durchschnittliches Foto von einem herausragenden / polarisierenden / ansprechende Motiv mehr und bessere Kommentare erhalten als ein Montag morgens um 4 Uhr hochgeladenes großartiges Foto von einem dezenten, zurückhaltenden Motiv. Aber das sind wie gesagt nur meine persönlichen Punkte, die für mich noch fehlen. Danke Dir für diesen tollen Artikel!
Bitte, gern geschehen :-).
Typfrage stimmt natürlich auch. Und es ist natürlich nicht so, dass ich mir nie im Internet Fotos anschaue. Die Wirkung ist aber so … flüchtig.
Zu den Communities: Je mehr ich „offline“ mit realen Menschen reale Abzüge diskutiere, die vor uns auf dem Tisch liegen, umso mehr weiß ich die persönliche Atmosphäre und den echten Austausch zu schätzen, der dabei zustande kommt. Nachfragen ist dort viel einfacher, das Troll-Problem fällt weg, und man kann meistens ziemlich genau einschätzen, wie welche Kritik oder welches Lob gemeint ist. Also: ich kann es nur empfehlen.