And now for something completely different
Beim Aufräumen findet sich manchmal hier und da etwas, das einen nostalgischen Rückblick erlaubt: die Rechnung meines ersten PCs.
Ausgegraben: Die Rechnung für meinen ersten PC
Vor vierzehn Jahren bin ich also mit einem Zweihundertsechsundfünfzigstel meines heutigen RAM-Speichers ausgekommen. Der 486er mit SCSI-Controller war damals schon für private Zwecke eher ein Mercedes, oder mindestens ein „Audi 100“. Aber da ich mich kurz darauf selbständig machen wollte, verfuhr ich nach der Devise „viel hilft viel“. Der Preis war denn auch ein stolzer. Die gute alte IBM-Festplatte tat übrigens noch bis vor gut drei Jahren klaglos ihren Dienst als Zweit- und dann Drittfestplatte. Dass eine Festplatte auch crashen konnte, war damals sowieso irgendwie noch nicht vorstellbar.
Kompliziertes Komputerleben
Im Übrigen finde ich – floating down memory lane –, dass das Computerleben damals noch reichlich kompliziert war. Wenn ich bedenke, wie viel ich an meinem Rechner rumgebastelt habe! Vor allem unter Windows 95 und 98 musste man die Hardware immer mühsam überreden, mit dieser oder jener Software zusammenzuspielen. Andererseits: Aufrüsten war noch einfach. Neuer Prozessor, zusätzliche RAM-Bänke, ging alles ein paar Jahre lang. Erst später ging die Unsitte los, dass man nach einem Jahr nur für mehr Arbeitsspeicher fast den gesamten Rechner neu kaufen musste, weil ständig neue RAM-Typen und Prozessorsockel entwickelt wurden.
Kommunikation ohne Kompromisse
Am schönsten aber habe ich die Stunden mit meiner Mailbox in Erinnerung. Der Begriff stand damals noch nicht für „Briefkasten“, sondern für eine Methode, mit anderen Menschen im Netz zu kommunizieren. Mit dem eigenen Rechner meldeten wir uns an dem zentral in einer WG in der Göttinger Wiesenstraße aufgestellten „Mailboxrechner“ (Link-Goe hieß unser „Knoten“) per Modem über die Telefonleitung an, luden unser Datenpaket herunter und sorgten dafür, dass die Leitung möglichst schnell wieder getrennt wurde. Möglichst schnell, damit a) die Leitung wieder frei wurde und b) nicht so viel online-Zeit verbraten wurde. Zuständig dafür, die heruntergeladenen Daten fein säuberlich in so genannte „Bretter“ einzusortieren, war das Shareware-Programm Crosspoint oder kurz: XP (!). Hübsch unter DOS installiert, war XP eine der schnellsten und elegantesten Methoden, sich munter in den damaligen Mailboxnetzen herumzutreiben (FidoNet, MausNet, ZConnect, anyone??).
Das Tolle an XP war, dass es so schöne Kommentarbäume in den Diskussionsforen hatte. Man sah immer sofort, wer wem auf welches Thema geantwortet hat. Das sah dann so aus:
Der Nachfolger von Crosspoint mit Kommentarbaum (Quelle: Wikipedia)
Spätere Mailprogramme hatten diese Funktion erstmal nicht. Außerdem ließ sich das Programm komplett mit Tastenkombinationen steuern, es ging alles rasend schnell. Wir fühlten uns als Vorreiter. Und trafen uns wöchentlich Mittwochs abends im APEX, wo von der technikverliebten Männerrunde die ct weitergereicht wurde, während ich mit meinen zwei einzigen Mitstreiterinnen ein „Frauenbrett“ gründete.
Online-Beziehung vor der Zeit der Blind Dates
Damals lernte ich über diese Schiene sogar (Nähkästchen öffne …) einen jungen Herrn kennen, mit dem mich eine kurze, aber heftige Online-Beziehung verband, der allerdings kein langes Real Life beschieden war. Lustig war’s schon– das alles begab sich übrigens in einer Zeit, wo es das Internet, WWW und so weiter, noch gar nicht gab. Da wir Mailboxler natürlich eminent politisch für Selbstbestimmung im Netz eintraten, wurde das World Wide Web bei seinem Erscheinen von uns erstmal vehement abgelehnt, „bunte Bildchen“, klicki-klicki brauchten wir nicht, sagten wir. Dachten wir. Es kam anders, nun ja.
Fotografiert habe ich damals übrigens noch nicht. Wer hätte gedacht, dass ich mich einst für die Welt der bunten Bildchen begeistern würde …
Nette Erinnerungen. Da hast du für deinen ersten PC ja ganz schön tief in die Tasche gegriffen! In welchem Geschäft hast du ihn gekauft?
An Crosspoint kann ich mich auch noch erinnern. Habe mich eine Zeitlang darin versucht, aber schon zu spät. So um 1995 drängte sich doch schon bald das Internet in den Vordergrund und in den Mailboxen fand ich nur noch Links zu Shareware-Downloads. Was aber bei den üblichen Übertragungsraten von bestenfalls 9800 Baud eine arge Quälerei war…
Wie lange warst du in Göttingen?
Tja, das stimmt. Der Händler meines Vertrauens war Computer-Schlösser, der jetzt im Papendiek ist und, wie ich gerade sehe, offenbar hauptsächlich gebrauchte Teile verkauft. Ich fühlte mich damals gut von ihm beraten und hatte keine Lust auf Discount-Schrott mit schlechtem Service. Außerdem brauchte ich den Computer ja fürs Geschäft. Meine Magisterarbeit hatte ich noch auf einem geliehenen Atari mit Signum 2 geschrieben. Leider ohne Fußnotenverwaltung. Dafür hat mir ein Freund in einer Nacht- und Nebel-Aktion kurz vor Abgabeschluss noch ein Makro gehackt. Uff. Stress. Heute kann ich drüber lachen :-).
Mein erstes Modem hatte immerhin schon 14.400 Baud. Meine ich.
Ich bin in Göttingen geboren und habe bis Februar 2005 auch dort gelebt (teilweise im Umland: Rosdorf und Diemarden), mit Ausnahme von zwei jeweils ein Jahr langen Intermezzi in England. Wohl eine Ausnahme in dieser von studentischen Durchzüglern geprägten Stadt …
Wir wussten eben schon damals, dass Web 1.0 Schrott ist. 🙂
Das Mittwochstreffen hat das ganze Klicki-Bunti-Zeug überlebt. Nur aufs Apex haben wir derzeit keine Lust mehr, wir sind jetzt im Szültenbürger.
(Hallo Grapf, Du auch hier? *wink*)
Grüß dich, Krischan! Freut mich zu hören, dass die Mittwochsgruppe noch lebt. Kaum zu glauben nach so vielen Jahren. Wer ist denn von der „alten Crew“ noch dabei?