So, nun nach einer längeren Denkpause mal weiter mit meiner Sommerakademie:

Nach den technischen Fingerübungen widmen sich nun alle Teilnehmerinnen (wie es der Zufall will, ausschließlich Frauen) ihrem eigenen Thema. Unter dem Stichwort „Gestalterische Fotografie“ ist im Folgenden eher künstlerische Fotografie zu verstehen als … andere, aber wo die Grenzen liegen bzw. ob sie überhaupt wichtig sind, muss jede(r) selbst entscheiden.

6 Monate sind für die Entwicklung und Durchführung eines Themas übrigens ein normaler Zeitraum, wir haben das Ganze in 10 Tage gequetscht. Inklusive Fotos entwicklen (lassen) und Ausstellung konzipieren. Anfangs kam uns diese Zeit lang vor, aber das hat sich schnell gegeben.

Schloss Neuhaus bei Paderborn

Im Kurs gingen wir bei der Entwicklung und Bearbeitung unseres fotografischen Themas, unserer Serie in etwa so vor:

Wie entwickelt man ein fotografisches Thema?

  • Brainstorming des (vorgegebenen) Themas gemeinsam, evtl. Auflösung des Themas in Unterthemen, dafür jeweils separaten Gehirnsturm entfachen (z.B. Summertime = Sommer + Zeit)
  • Befrage dich selbst:
    • Welche Begriffe in dem Brainstorming rühren dich an, rufen ein Echo hervor?
    • Was genau ist es, was dich interessiert, wie kannst du es genauer „einkreisen“?
    • MIt welchen Themen hast du dich bislang beschäftigt, zu welchen (genauen) Themen hast du (immer wieder) Serien erstellt, was lässt dich nicht los?
    • Was interessiert dich im Leben allgemein, ganz grundsätzlich?
    • Welche Erfahrungen und Talente bringst du mit? Also: Wo kommst du her, was kannst du besonders gut, auf welchem Gebiet kennst du dich gut aus?
    • Was hast du dir bis jetzt noch nicht zugetraut, was möchtest du gern ausprobieren?
  • Wenn du deine Idee, dein Thema gefunden hast: Was ist es, was dich an diesem Thema reizt? Wie kannst du deine Idee dem Betrachter vermitteln? Welche Fotos, welche Art von Fotos drücken dein Thema am besten aus? Wie „übersetzt“ du die Idee (vielleicht ein abstrakter Begriff, vielleicht ein Gefühl) für die anderen, die Betrachter deiner Bilder?

Nicht knipsen, sondern denken!

All diese Fragen und Überlegungen finden statt, bevor du überhaupt etwas fotografiert hast. Wichtig ist also: bring Gehirn und Seele auf Touren, öffne dich (dir selbst gegenüber), sei ehrlich mit dir, spür in dich hinein. Das klingt manchen vielleicht nach Esoterik oder Psychokram, aber für die Fotokunst halte ich es für unabdingbar. Stellst du dir die Fragen nicht gleich zu Anfang, so wirst du spätestens beim „Losknipsen“ früher oder später merken, dass du Fragen hast.

Zum Beispiel: Dich faszinieren alte Gemäuer, Verfall, Wände, Materialien, verrottendes Holz, verrostendes Metall. Willst du all das in eine Serie bringen, stellen sich solche konkreten Fragen: Was ist es genau, was mich daran interessiert? Das Alter, die Vergänglichkeit, der Zahn der Zeit, die Veränderlichkeit des Materials? Und was hat das alles mit mir zu tun? Die Antworten auf diese Fragen sagen dir, welche Fotos du auswählen musst und welche aussortieren. Welche Fotos transportieren dein Anliegen am besten?

Jetzt kanns losgehen: Das Thema „anfotografieren“

Bevor du im stillen Kämmerlein oder auf der grünen Wiese, wo du nachdenkst, einschläfst, solltest du dich aufraffen und die nun schon viel schwieriger gewordene Aufgabe angehen: Anfotografieren. Mit dem Notizbuch in der Hosentasche und dem Equipment, das dir für deine Aufgabe geeignet scheint (nicht zu viele Objektive, die lenken vom Thema ab), gehst du raus bzw. dorthin, wo du fotografieren willst, und fängst an. Spätestens jetzt wirst du feststellen, dass dir die Antworten auf die vorab gestellten Fragen sehr gelegen kommen. Oder, dass du die Fragen eigentlich noch gar nicht beantwortet hast und erstmal weiter nachdenken musst.

Wie es weitergeht, wird demnächst verraten.