Der Fotograf Bernd Becher verstarb am Freitag im Alter von 75 Jahren während einer Operation in Rostock.

Man ist versucht zu sagen: „Eine Hälfte von Bernd und Hilla Becher ist nicht mehr da.“ Das Fotografenpaar wurde berühmt für seine Industriefotografie, die sie seit den 1960er Jahren betrieben. Sie erstellten ganze Typologien von Industriebauten, vor allem im Ruhrgebiet, aber auch im Ausland: Zechen, Silos, Wassertürme und Gasbehälter, alle fotografiert mit Plattenkameras bei neutralem, diffusem Licht, das Objekt in der Bildmitte.

Dokumentation oder Fotokunst?

Da die von den Bechers fotografierten Bauten selbst durch den industriellen Wandel häufig schnell wieder „von der Bildfläche verschwanden“, wird ihrer Fotografie oft dokumentarischer Charakter zugeschrieben. Früher als in Deutschland, wo Anfang der siebziger Jahre die Fotografie noch nicht wirklich als Kunstform anerkannt war, wurden die Arbeiten der Bechers bereits 1973 in New York ausgestellt (Quelle: Wikipedia).

Wie Christiane Vielhaber heute im Deutschlandfunk erzählte, sagte Bernd Becher denn auch, die Bauten interessierten ihn „als moderne Skulpturen“. Die beiden wollten „beweisen, dass diese Architektur der Wirtschaftswelt ein weltweites Phänomen ist“ (WDR-Interview, 2003).

Kritische Stimmen

Offenbar wurde die Fotografie der Bechers erst in jüngster Zeit kritisiert, nämlich in einem Beitrag von Jörn Glasenapp für die Zeitschrift „Fotogeschichte„:

„Die Bechers sind, so argumentiert er, nicht ‚Historiker des Industriezeitalters‘ (Klaus Honnef), sondern sie arbeiten im Gegenteil ‚durch und durch ahistorisch‘. ‚Die Bechers treten beim ersten Schritt, der Bilderstellung, scheinbar ganz hinter den Gegenstand zurück, um beim zweiten Schritt, der Präsentation des Gegenstandes, das Heft zur Gänze in die Hand nehmen zu können.'“
(aus der Heft-Beschreibung der Zeitschrift, Heft 100 / Sommer 2006)

Ich glaube gar nicht, dass die Bechers sich unbedingt als Historiker sehen, sondern dass es ihnen um Ästhetik (Kunst) und Politik (seht her, so baut das Kapital!) geht.

Faszination und Aufwand

Wie das Urteil der Kunstgeschichte auch ausfallen wird: Faszinierend sind die Fotografien der Bechers allemal. Respekt vor ihrer unglaublich umfangreichen und aufwendigen Arbeit. Gefragt, ob sie zum Beispiel nie das Bedürfnis haben, Kirchen zu fotografieren, erwiderte Bernd Becher unter anderem: „Für Kirchen muss man einen besonderen Aufwand treiben.“ Wenn man weiß, welchen Aufwand die Bechers für die Industriefotografien oft getrieben haben – Recherchieren der Gebäude, Einholen von Genehmigungen, Suchen geeigneter Aufnahmestandpunkte, Erklettern von oder gar Abseilen an von Nachbargebäuden mitsamt schwerer Ausrüstung – nun ja. Es war wohl die Kindheit im von der Schwerindustrie geprägten Nordrhein-Westfalen, die bei Bernd Becher den Ausschlag gegeben hat.

Wie weiter?

Und was macht Hilla Becher jetzt? Wird sie das gemeinsame Werk allein weiterführen? Wird sie andere Dinge fotografieren? Schon jetzt haben sie und ihr Mann uns so viel über Industrie, Architektur und Fotografie gelehrt, und viele ihrer Schülerinnen und Schüler sind selbst berühmte Fotografen geworden (siehe Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff, Thomas Struth …).

Weitere Informationen zu Hilla und Bernd Becher: