Im Rahmen meines Kurses „Schule des Sehens“ bei der VHS Stuttgart hatte ich gestern überraschend Gelegenheit, bei der Vernissage der Robert-Lebeck-Ausstellung dabei zu sein. Ich war davon völlig überrascht und daher umso erfreuter.

Peru 1972

Lebeck ist ein ganz Großer des deutschen Fotojournalismus. Seit Anfang der 1950er Jahre arbeitete er für deutsche Illustrierte wie Revue und Kristall sowie ab 1966 mit einer zweijährigen Unterbrechung (Chefredakteur der GEO) für den Stern. Er wurde laut diesem Blatt zu einem der bestbezahlten Fotoreporter Deutschlands, nachdem er für sein erstes Foto, wie er gestern charmant und immer wieder den Faden verlierend erzählte, ein per Vespa-Roller erobertes Bild von Adenauer, nur 18 Mark bekam. Fortan war für ihn klar, dass es anders werden musste. Berührend seine Schilderung, wie er zusammen mit seiner Frau sehnsüchtig den Geldbriefträger erwartete und dann immer wieder enttäuscht wurde. Bis er einmal ein Foto, für das er wieder nur 8 Mark bekommen hatte, auch an eine Kölner Illustrierte schickte (die Revue, glaube ich). Diesmal lohnte sich das Warten auf den Geldbriefträger: Er brachte 70 Mark. Höchste Zeit, hatte der Fotograf doch am Vorabend zusammen mit seiner Frau die letzten 20 Mark im Hotelrestaurant auf den Kopf gehauen, wie es ihr Ritual war.

Erstaunlich, wie das damals lief: Man hätte doch meinen können, dass er erst bei der Zeitung anruft, um über das Honorar zu verhandeln. Heute würde das wohl etwas anders laufen. Damals waren die Verhältnisse aber auch anders. Wenig später gab es so viele Illustrierte und so wenige Fotojournalisten, dass sich die Verlage um die besten der Branche rissen und sie möglichst mit festen Verträgen an sich banden.

Lebeck erzählte freundlich auch von den wenigen Gelegenheiten, bei denen er Stuttgart besucht hatte: Einmal war er in die Liederhalle gekommen, um Maria Callas zu fotografieren, was ihm auch gelang. Er fuhr dann sogar mit ihr zusammen ins Hotel und konnte sie dort ganz in Ruhe porträtieren.

Bekannt wurde Lebeck 1960 durch eine Reportage unter dem Titel „Afrika im Jahre Null„: Für drei Monate hatte ihn die Illustrierte „Kristall“ nach Afrika geschickt, um über die Länder zu berichten, die sich von ihren jeweiligen Kolonialherren befreit hatten. Von ihm stammt auch das bekannte Foto von Elvis als GI, und besonders gern porträtierte er Romy Schneider. Im Nachhinein auch erstaunlich zukunftsweisend sein Porträt von Helmut Kohl, den er 1972 (!) schräg von unten als wahres Schwergewicht mit großer staatsmännischer Geste vorm Reichstag präsentierte. Viele seiner Reportagen sind auch als Buch erscheinen, der Steidl Verlag aus meiner Heimatstadt Göttingen präsentiert sein Werk.

Kurheim in Diez an der Lahn, Deutschland 1986

Die Fotos in diesem Beitrag stammen übrigens aus der Pressemappe zur Ausstellung.

Die VHS hatte die Vernissage der Ausstellung gestern, wie ich fand, etwas lieblos gestaltet. Doch der große Fotograf, der lange und in assoziativen Schleifen aus seinem Leben erzählte, machte dieses Manko mit seiner Spontanität und Herzenswärme mehr als wett. Präsentiert werden in dieser Ausstellung Farbfotos von 1960 bis 2000, obwohl ja, wie er selbst sagte, Schwarzweißfotos „irgendwie besser“ sind. Mich haben viele seiner sozialkritischen Fotos berührt und die Ästhetik einiger ganz unspektakulärer Aufnahmen wie die von der Wachablösung auf dem Roten Platz in Moskau, die ein kleiner Junge ganz fasziniert verfolgt. Lebecks Fotos erzählen nicht zuletzt viele spannende Geschichten aus den letzten fünf Jahrzehnten, und er war bei den bedeutendsten historischen Umwälzungen im In- und Ausland dabei. Politiker- und Prominentenporträts finde ich oft eher langweilig, es sei denn, sie zeigen einen ganz besonderen Blick. Und den hat Robert Lebeck zweifellos.

Ich hab mir jedenfalls vorgenommen, seine Autobiographie „Neugierig auf Welt“ einmal zu lesen. Ansonsten empfehle ich den Besuch der wirklich sehenswerten Ausstellung.