Ben Baker

Ben Baker (Foto: Chris Domingue)

Ben Baker, ein australischer Fotograf, der seit über zehn Jahren in New York City (und anderswo) wohnt und arbeitet, fiel mir zuerst als extrem aufmerksamer, oft humorvoller Porträtkünstler auf. Freundlicherweise erklärte er sich bereit, mir einige Fragen zu beantworten:

1. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen? Wann und warum haben Sie beschlossen, sie zum Beruf zu machen?

An meiner Schule gab es einen tollen Fotografie-Kurs und einen wunderbaren Lehrer … Ich hatte schon immer gewusst, dass ich einmal künstlerisch arbeiten würde, und die Fotografie lief mir als Erstes über den Weg.

An der Fotografieschule bei uns in der Gegend wurde ich nicht angenommen, deshalb habe ich für einige Fotografen in meiner australischen Heimatstadt Adelaide gearbeitet. Es ging eigentlich erst richtig los, als ich in NYC anfing zu fotografieren, nachdem ich mein erstes Titelbild gesehen hatte – da wusste ich, dass es das richtige war.

2. Warum haben Sie sich auf die Porträtfotografie spezialisiert? Was bedeutet sie für Sie?

Man muss tun, was man gerne tut. Da draußen arbeiten viel zu viele talentierte Leute, man muss tun, was einem leicht fällt … Ich mag die Begegnung mit Menschen und mit ihnen zu reden … Die Fotografie ist dann einfach ein Teil davon.

3. Wen betrachten Sie als Ihre fotografischen Vorfahren, welche Fotografen haben Sie am meisten beeindruckt, und warum?

Vorfahren … das klingt, als hätte ich mich entwickelt … bin mir nicht sicher, ob das so ist, aber mich inspirierten Penn, Sander, Newman, Avedon, Klein. Sie alle haben Kultbilder von den Menschen unserer Zeit geschaffen.

4. Welches sind Ihre Kriterien der Exzellenz in der Fotografie – was macht aus einem Bild ein gutes Bild?

Ein gutes Bild kann so vieles sein … liegt alles im Auge des Betrachters. Ich habe eigentlich keine Kriterien oder festen Regeln. Wenn das Bild mich auch nur einen Augenblick lang bewegt oder inspiriert hat, dann ist es gelungen.

5. Wenn man sich Ihre Website anschaut, hat ein großer Teil Ihrer Arbeit damit zu tun, was es heißt, Amerikaner zu sein (z.B. das Video Three things). Warum ist Ihnen als Australier dieses Thema wichtig?

Hoffentlich hat nicht alles mit Amerikanisch-Sein zu tun … Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich hier für amerikanische Magazine arbeite. Der Blick und die Perspektive des Außenseites ist immer erfrischend, nehmen Sie nur Robert Frank, The Americans. Ich bezweifle, dass dieses Buch von einem hier lebenden Amerikaner hätte gemacht werden können. Es braucht jemanden von außen, der die Fragen stellt.

6. Sie fotografieren viele bekannte Persönlichkeiten und Politiker. Wie viel Zeit haben Sie für Shootings mit Leuten wie Barack Obama, und wie brechen Sie das Eis?

Barack Obama

Barack Obama

Unheimlich viel Vorbereitung, klare Ideen, direkt sein, ehrlich sein, nah herangehen und ihnen sofort zeigen, dass sie in sehr guten Händen sind. Dann entspannen sie sich und geben mehr preis … sich in sie hineinversetzen. Daran denken, womit der Präsident sich gerade beschäftigen muss, ihnen das Leben leichter machen … dann steigen die Chancen, den richtigen Moment zu erwischen. Durchschnittlich sind es wahrscheinlich 10-15 Minuten, manchmal nur 3 oder 5 … keine Ahnung, warum mir noch nicht alle Haare ausgefallen sind …

7. Manche Ihrer Porträts kommen mir nicht sonderlich schmeichelhaft vor (sind sie vielleicht auch nicht gemeint …), vor allem die von Männern, z.B. Jim Rogers, Warren Buffet oder Anderson & Sheppard. Liegt es vielleicht am Weitwinkel, das Sie benutzt haben? Das Bild scheint immer eine heikle Balance zu wahren zwischen ‚realistischem Porträt‘ und einer Art Verzerrung, die genau das richtige Maß trifft, wie das Typische der Person oder der Gruppe dargestellt werden kann, sei es nun positiv oder negativ – verstehen Sie, was ich meine?

Jim Rogers

Jim Rogers

Warren Buffet

Warren Buffet

Anderson & Sheppard, Tailors

Anderson & Sheppard, Tailors

Interessant … eigentlich haben die Bilder allen gefallen … solange es ein ehrlicher und respektvoller Schuss ist, fühlen sich die Leute damit wohl, glaube ich. Und wenn andere positiv darauf reagieren, gefällt es ihnen auch. Ich befasse mich nicht mit billigen Schnappschüssen oder übertrieben schmeichelhaften Bildern, die nicht ehrlich sind. Ich reagiere einfach an Ort und Stelle auf die Leute und erzähle eine ehrliche Geschichte.

Zum Beispiel in Ihrem Porträt vom McDonald’s Vorstand, das hat trotz der entspannten Stimmung eine gewisse Künstlichkeit, die ein (vielleicht unwillkommenes) Licht darauf wirft, was sie verkaufen. Ich glaube, es ist die Kombination von Beleuchtung, Farben und der Verzerrung durch die Brennweite … Wie reagieren Ihre Porträtierten oder ihre PR-Leute darauf? Merken sie es überhaupt?

McDonald's Board of Directors

McDonald's Board of Directors

Das ist halt McDonald’s … wir wollten es übertrieben und ein bisschen unrealistisch machen … das ist eben McDonald’s. Sie waren ziemlich schwierig, aber als wir einmal beschlossen hatten, das Produkt mit einzubeziehen, war es ihnen plötzlich egal. Offenbar gefällt es denen im Firmenstammsitz … Komisch. Die PR-Leute sollte man am besten ignorieren, sie nett behandeln, aber dabei bleiben, schnell arbeiten und dafür sorgen, dass sie abgelenkt sind …

8. In Ihrer Biographie las ich, dass Sie vier Tage nach Ihrer Ankunft in NYC anfingen, mit Annie Leibovitz zu arbeiten. Wie kam es dazu, und wie war das so?

Das war einfach ein Glücksfall, ich kannte jemanden, der jemanden kannte … Und Annie fing gerade mit ihrem Frauen-Buchprojekt an. Daran habe ich mitgearbeitet, und bei vielen Vanity Fair Shootings, das war einfach so ein Glücksfall.

9. Arbeiten Sie auch manchmal ohne Auftrag? Wenn ja, was inspiriert sie am meisten?

Meine Arbeit ist fast immer Auftragsarbeit … außer bei den Images from Peru und Porträts von meiner Mama …

Ich würde gern mehr persönlichere Arbeiten machen … ich brauch einfach Zeit. Was die Inspiration angeht, so sind es die Leute, die ich treffe und porträtiere, und ob die Geschichte auch später noch für die Menschen relevant sein wird … werden die Fotos die Geschichten unserer Zeit erzählen? Menschen inspirieren mich … gute und böse …. warum treffen die Leute diese oder jene Entscheidung? Warum werden manche Menschen große Persönlichkeiten?

10. Ihre Serie American Beauty gefällt mir sehr. Sie präsentieren darin Porträts einer großen Vielfalt von Frauen unterschiedlichen Alters. Ich finde die Fotos zugleich unglaublich normal und unglaublich schön. Der Titel weist darauf hin, dass es amerikanische Frauen sind. Was sehen sie als ihr ‚Amerikanischsein‘? Erzählen Sie uns von dieser Serie — wie kamen Sie dazu, und wie haben Sie die Frauen ausgewählt?

American Beauty

American Beauty

Das Projekt begann als eine einfache Serie für die Illustrierte Marie Claire, wo amerikanische Frauen für den Beauty-Teil fotografiert werden sollen. Dann wurde daraus eine monatliche Serie. Jetzt fragen andere Magazine und Werbeagenturen nach ähnlichen Projekten.

Ich habe eigentlich jedes Mal ein kleines, leichtes Zelt in willkürlich ausgewählten Städten aufgestellt, und die Frauen kamen einfach vorbei … Es ist wunderbar, diese Vielfalt in Amerika zu sehen. Die Arbeit daran gefällt mir sehr, denn das ist genau das Gegenteil von diesen Porträts in der üblichen Umgebung. Hier kann ich mich ganz auf die Person und unser Gespräch konzentrieren. Meist habe ich nicht so viel Zeit mit ihnen … jedes Mal wünsche ich mir, mehr Zeit für sie zu haben.

11. Welche Themen oder Projekte beschäftigen Sie im Augenblick am meisten?

Ich bin total überschwemmt mit meinen Zeitschriften-Aufträgen … mich beschäftigt vieles … aber die Arbeit für die Illustrierten kommt einfach immer wieder rein, und es sind tolle Arbeiten – wie kann ich da nein sagen? Es gibt bald ein paar neue Projekte, ich halte Sie auf dem Laufenden.

Ben, herzlichen Dank für das Interview und für die Erlaubnis, Ihre Arbeiten auf Schauplatz.org zu zeigen!

Die Fotos aus ‚American Beauty‘ erschienen im Esquire May 2010 zusammen mit Zitaten der Frauen über sich selbst und ihre Pläne.

Weitere Infos zu Ben Baker gibt es auf seiner offiziellen Website. Ben Baker wird von Redux Pictures vertreten. Neue Arbeiten werden auf deren Blog vorgestellt.

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Hier noch eine kurze Selbstbeschreibung von Ben Baker, in der weitere seiner Arbeiten zu sehen sind:

Ben Baker – Photographer from Redux or Michael Kasino on Vimeo.

Alle gezeigten Fotos sind das Eigentum von Ben Baker.